Einblicke in das französische Schulsystem

Der Lehrkräftemangel ist in aller Munde, auch im französischen Schulsystem. Wie kann man den Beruf attraktiver gestalten, da eine gute Bezahlung, Ferien und der sicheren Arbeitsplatz scheinbar nicht ausreichen?

Die deutsche Lehrkräfte nennen selbst die Arbeitsbelastungen, die durch Verwaltung und Bürokratie entstehen, als einen der wichtigsten Schmerzpunkte für die Ausübung ihres Berufs. Laut der Umfrage des deutschen Schulbarometers vom Juni 2023 [1] würden 69 Prozent der Teilzeitkräfte, also weit mehr als die Hälfte der Befragten, wieder mehr arbeiten, wenn es weniger fachfremde Aufgaben gäbe. Was unter „fachfremd“ verstanden wird: Ausfüllen von Formularen und Statistiken, die Kommunikation mit Eltern und Behörden, die Dokumentation der Leistungen und noch einiges mehr[2].

Worauf sich alle einigen können, ist der Aspekt, dass Verwaltungsaufgaben nicht zu den Kernaufgaben von Pädagog:innen gehören. Wir werden uns die nächste Zeit in unseren Artikeln intensiv mit dieser Problematik und den Lösungsansätzen auseinandersetzten.

Wie Sie vielleicht schon wissen, hat LDE seinen Mutterkonzern in Frankreich. Wir arbeiten täglich mit unseren französischen Kollegen zusammen und setzen uns auch für interkulturelle Zusammenarbeit in der Bildung ein. Eine unserer deutschen Mitarbeiterinnen hat selbst auch im französischen Schulsystem unterrichtet. Wir wollen Sie in unserem ersten Artikel zu dem Thema einladen, einen Blick über den Tellerrand zu wagen und zu erfahren, unter welchen Rahmenbedingungen französische Lehrkräfte arbeiten.

Die Besonderheiten des französischen Schulsystems

Wir beziehen wir uns heute der Übersichtlichkeit halber auf den Sekundarbereich, also den weiterführenden Schulen nach der Grundschule. Zunächst haben die hauptsächlich verbeamteten Lehrkräfte in sogenannten College und später im Lycée ein Stundenpensum von ungefähr zwanzig Unterrichtsstunden. Meist unterrichten diese auch nur ein Fach, wobei bestimmte Fächer wie z.B. Geschichte mit Geografie (oder auch Physik mit Chemie) verbunden sind und von einer Lehrperson unterrichtet wird. Eine weitere Besonderheit sind hier die „agrégés“, die dank einer (hauptsächlich fachlich bezogenen) Zusatzprüfung weniger unterrichten. Dieser Status ist einer deutschen Habilitation ähnlich. Die „agrégés“ unterrichten in Frankreich 15 Stunden in der Woche, arbeiten meist am lycée und auch Universitäten und bekommen mehr Geld als die „normalen“ Lehrer:innen. In Deutschland variiert die Anzahl der Unterrichtsstunden nach Bundesland zwischen 22 und bis zu 28 Stunden. Und genau wie in Deutschland pochen die Lehrkräfte in Frankreich darauf, dass die wirkliche Arbeitszeit (Vorbereitung, Nachbereitung und Vieles mehr) endlich sichtbar gemacht wird.

Schulmanagement für französische Lehrkräfte

Wie in der Bundesrepublik sind auch die französischen Lehrkräfte angehalten, alle Prozedere, ob Unterricht oder Kommunikation, zu dokumentieren. Die digitalen Werkzeuge erleichtern dabei zunehmend den Alltag der Lehrkräfte, auch wenn die Bürokratie in Frankreich sich ähnlich penibel wie in der Bundesrepublik gestaltet. Alle Lycées (ja, alle[3]!)  und 90 Prozent der Collège sind mit einem Schulmanagementsystem ausgerüstet: Nachrichten mit Kolleg:innen und Schüler:innen, Unterrichtsausfälle, Klassenkonferenzen und vieles mehr sind in Frankreich digitalisiert. Zeugnisse, Beurteilungen, Nachrichten und Hausaufgaben finden Lehrkräfte, Lernende und Eltern auf gesicherten Portalen.

Die CPE – ein typischer Beruf für das französische Schulsystem

Die  „agrégés“ und die „normalen“ Lehrer:innen haben im Prinzip keine weiteren Verwaltungsaufgaben, solange sie keine Klassenlehrer:innen sind oder eigene Projekte anschieben: Fehlzeiten, Verhaltensprobleme und persönliche Sorgen werden vom sogenannten „CPE“ (conseillière principale d’education, also eine Art Bildungsberaterin) übernommen. Diese Person hat einen besonderen Platz in jeder französischen Schule und ist nur unzureichend mit einer Sozialarbeiterin oder der Schulleitung in Deutschland zu vergleichen. Der oder die CPE überlegt sich mit seinem Team von meist 4 bis 5 Personen Aktionen, die das Zusammenleben in der Schule angenehmer gestalten. Sie geben den Rahmen für einen Schülerrat und organisieren Workshops mit externen Anbietern. Sie übernehmen auch die Pausenbetreuung. Wer häufig zu spät kommt, oder Probleme in der Schule hat, hat auch bald einen Termin bei der oder dem CPE. Jede:r Schüler:in kennt diese Person, die den Kontakt mit den Eltern pflegt und eventuell auch die sozialen Dienste einschaltet. Wie großartig, denken Sie vielleicht? Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die CPE den Lehrer:innen Zeit erspart, anderseits teilt sich hier die Beziehungsarbeit und die Wissensvermittlung auf zwei Personen. Häufig wissen die Lehrkräfte in Frankreich so recht wenig von ihren Schüler:innen.

Die Schulbibliotheken – Zentrum für Projekte

In jeder Schule Frankreichs werden Sie eine Schulbibliothek finden, in der meist eine dynamische Frau sitzt (in Frankreich beträgt der Frauenanteil in Bildungswesen über 70 Prozent[4]), die nur nicht mit allen Lehrkräften zusammenarbeitet, sondern auch die Schüler:innen sehr gut kennt: Die sogenannte „documentaliste“. Diese sind ausgebildete Pädagog:innen, die aber nicht direkt unterrichten. Ihre Aufgabe neben der Lehrmittelverwaltung für die gesamte Schule ist es auch, interdisziplinäre Projekte voran zuschieben. Sie laden Autoren oder Journalisten in die Schule ein, bereiten kleine Ausstellungen mit Schüler:innen vor und suchen für Lehrkräfte Lehrmittel für bestimmte Themen heraus. Für Lehrkräfte, die gerne in Projekten arbeiten, die beste Ansprechpartnerin! Im Vergleich dazu ist in Deutschland die Lernmittelverwaltung meist Aufgabe eines Lehrers, der diese zusätzlich übernimmt.

Die französische Lehrkraft ist vor allem Experte für ihr Fach

Zusammenfassend können wir also sehen, dass viele Aufgaben, die deutsche Lehrer:innen übernehmen, im französischen System ausgelagert oder anderes verteilt sind. Französische Lehrkräfte stehen weniger Stunden in den Klassen und haben weniger Verwaltungsaufgaben. Generell wird der Lehrer vorrangig als Experte für sein Fach gesehen. Dazu muss aber angemerkt werden, dass das Gehalt auch deutlich unter dem deutschen Durchschnitt liegt.

Und – sind die französischen Lehrer:innen dennoch zufriedener? Interessanterweise nicht – auch in Frankreich werden Lehrkräfte händeringend gesucht. Jedes Land hat seine Schmerzpunkte. Diese hier für Frankreich zu beleuchten, würde das Format unseres Artikels sprengen.  

Dennoch ist es erfrischend, einen Blick über den Rhein zu wagen und sich mit anderen Realitäten der Arbeitswelt auseinanderzusetzen. Der Perspektivenwechsel zeigt auf jeden Fall: Es gibt andere Möglichkeiten. Die Frage ist, wie wir und wie jedes Land den Lehrerberuf definieren.

Wir hoffen, damit Impulse zusetzen für die Reflexion, inwieweit sich der Arbeitsalltag für deutsche Lehrer:innen ändern kann. Ganz sicher gibt es keine Copy-Paste-Strategie, aber einen Anstoß, eigene Lösungen zu finden.

Wir bei LDE erleichtern den Schulalltag durch Lösungen, welche Lehrkräfte entlasten und ihnen erlauben, sich verstärkt auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Gerne beraten wir Sie zu unseren Produkten und stehen Ihnen darüber hinaus als Experten in der digitalen Bildungslandschaft zur Seite.

Seien Sie gespannt auf unsere nächsten Artikel, in denen wir die Arbeitsrealität in Deutschland näher beleuchten! Haben Sie Kommentare oder Anmerkungen zum Artikel? Teilen Sie Ihre Meinung mit uns!


[1] https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/lehrerumfrage-die-zehn-wichtigsten-ergebnisse-des-deutschen-schulbarometers-juni-2023/

[2] https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/was-sind-die-groessten-zeitfresser/

[3] https://www.education.gouv.fr/l-utilisation-du-numerique-l-ecole-12074

[4] https://www.education.gouv.fr/panorama-statistique-des-personnels-de-l-enseignement-scolaire-2021-2022-343054